Technische Daten können die Klangqualität von Musikwiedergabeanlagen nicht hinreichend beschreiben.
Das verspürt jeder, der sich nach der Lektüre eines Testberichts über die klangliche Gestalt der Testexemplare Rechenschaft zu geben versucht. Dennoch hat sich in der (Test-)Branche ein in gewisser Weise standardisiertes Vokabular eingebürgert.
Zwar werden in den verschiedenen Testinstitutionen und -zeitschriften unterschiedliche Testverfahren praktiziert, zwar hat jeder Autor einen gewissen Kernwortschatz zur Beschreibung von Lautsprecherqualitäten, doch einige Begriffe tauchen überall, auch in ausländischen Publikationen, auf. Die üblichen Begriffe sind, im Gegensatz zu physikalischen, nicht eindeutig definierbar.
Sie stammen zum Teil aus Bereichen, die mit dem auditiven nichts gemein haben, was aus Vokabeln, wie Volumen, Durchsichtigkeit, Seidigkeit, Leichtigkeit, Offenheit, Präsenz, Verhangenheit, hervorgeht.
All diese Begriffe sind bereits mit bestimmten Vorstellungsinhalten belegt.
Das hat zwar den Vorteil, daß man sich unter ihnen etwas vorstellen kann, aber auch den Nachteil, daß man zu Analogien gezwungen ist.
Bei Analogien besteht die Gefahr, daß das Übersteigen von dem einen in den anderen Bereich nicht voll funktioniert. Bleibt aber dieser Transfer aus, so kommt es zu falschen Vorstellungen.
Zudem sind die Begriffe mit subjektiv unterschiedlichen Inhalten und Wertvorstellungen belegt. Die Gefahr, mißverstanden zu werden, ist also nicht gering.
Dennoch soll versucht werden, einige Begriffe etwas zu veranschaulichen: Sie sollen so definiert werden, daß sie - vereinfacht ausgedrückt - eine möglichst anschauliche Sammlung von Beispielen darstellen, unter denen hoffentlich mindestens eines ist, das eine ungefähre Vorstellung von dem vermittelt, was gemeint ist.


Zunächst eine Übersicht über die Frequenzbereiche:

Oktave
Frequenzbereich [Hz]
Bezeichnung
1 20 - 40 Tiefbass
2 40 - 80 mittlerer Tieftonbereich
3 80 - 160 oberer Tieftonbereich
4 160 - 320 untere Mitten
5 320 - 640 mittlere Mitten
6 640 - 1280 obere Mitten
7 1280 - 2560 untere Höhen
8 2560 - 5120 mittlere Höhen
9 5120 - 10240 obere Höhen
10 10240 - 20480 Superhochtonbereich


Ein paar gebräuchliche Allgemeinausdrücke,
in negative und positive Wertungen sortiert [2]:

Positive Bewertungen
Negative Bewertungen
ausgeglichenes Volumen dumpf
differenziertes Klangbild verstopft
durchsichtig röhrig
plastisch verschleiert
präsent näselnd
brillant blechern
offen flach
präzise entfernt

 

Nach Frequenzbereichen geordnet [2]:

Tiefen
Mitten
Höhen
schwach schwach matt
trocken verhangen natürlich
weich heiser brilliant
undurchsichtig betont strahlend
brummelnd herausgehoben hart
bumsend schreiend gepreßt
unsauber lästig grell
hohl nervös gellend
verzerrt belegt metallisch
dröhnend verschmiert zischelig
betont drückend dumpf
kräftig    


Anschauliche Begriffe [3]:

Eine sehr hübsche und detaillierte Anleitung zum besseren Hören gab vor einigen Jahren die amerikanische Underground-Hi-Fi-Publikation "Stereophile".

Sie unterteilte den Frequenzbereich von 20 Hz bis 20480 Hz in 10 Oktaven und notierte in anschaulichen Begriffen, wie ein Lautsprecher klingt, der in diesen 10 Oktaven jeweils zu viel oder zu wenig bringt.

Diese in jahrelangen Hörvergleichen gewonnenen Begriffe erscheinen mir so plausibel, daß ich hier kurz ein Resümee dieser gewiß lobenswerten Arbeit geben möchte.

Der tiefste Baß von 20 bis 40 Hz kann laut "Stereophile" donnernd und übermächtig (thunderous), etwas schlaff und schwach (flaccid) oder ganz verhalten (shuddery) kommen, sofern auf der Platte solche Frequenzen (Baßtrommel, ganz tiefe Orgeltöne, Kontrabaß) aufgezeichnet sind.
Abwesenheit des tiefsten Baß-Fundaments bei Lautsprechern bemerkt man nur im direkten Vergleich.

Der Bereich der mittleren Bässe (40 bis 80 Hz) kann zu weich, etwas unkontrolliert und leicht bumsig (billowing), zu weich einschwingend (sodden) oder dumpf bis dröhnig (thuddy) klingen, wenn der Tieftöner wie bei manchen Baßreflexboxen stark nachschwingt und das Signal nicht sauber verarbeitet.
Andererseits fehlt es den mittleren Bässen an Fülle, wenn sie zwar gerade noch voll, aber etwas knapp (tight), etwas dünn (sparse) oder gar flach (shallow) kommen.

"Farbliche" oder perspektivische Unterscheidungen macht der Autor in diesem Frequenzbereich noch nicht, weil solche Bässe sich als Kugelwelle ausbreiten und nicht stärker gerichtet sind wie die Mitten und vor allem die Höhen.

Der Bereich der oberen Bässe (80 bis 160 Hz), so der Autor, gibt dem Tieftonbereich die "Wärme". Hier reicht die Skala seiner Bewertungen von dröhnend/bumsig (boomy) und fett (fat) bis trocken, kalt und dünn.

Die unteren Mitten im Bereich von 160 bis 320 Hz können in seinen Begriffen bei Überbetonung hohl (cavernous) oder hölzern (wooden), bei dort abfallenden Frequenzgang dagegen zu verhalten bis näselnd (pinched) klingen.

In diesem und dem nächsten Frequenzbereich (320 bis 640 Hz) manifestieren sich seiner Meinung nach "Reichtum", Fülle und Kraft des Klangbildes.
Fehlt es daran, so ist der Klang eingeengt, ohne Perspektive und gepreßt (constricted), während Überbetonung dort zu einem rauhen, stark vorwärts gerichteten (grunty) oder gar hallig-hohlen (hollow) Klangbild führt.

Die perspektivische Auflösung des Klangs findet nach dieser Listung in hohem Maße zwischen 640 und 1280 Hz statt. Das Klangbild kann hier Unterschiede von verhallt und überräumlich (hollow) und entfernt (distant) einerseits bis zu stark nach vorn gerichtet (forward), gleich einer Hupe oder einem Horn klingend (honky) und rauh bis heiser (raucous) andererseits reichen.

Für einen zu stark zurückgenommenen Präsenzbereich (die unteren Höhen) nimmt der Autor den Begriff "strangled", also gewürgt, womit er wohl im Deutschen am ehesten ein sehr flaches, dort wenig konturierendes Klangbild meint.
Überbetonung dieses Bereichs führt zu einem überpräsenten, blechernen und fast grellen (brassy), zu einem nasalen oder gar dünnen Klang (hier nennt er den Begriff "tinny", also wie Zinn klingend).

Ein Abfall im Brillanzbereich (2560 bis 5120 Hz), in dem sich normalerweise viele Obertöne entfalten, führt zu einem stark belegten, gedämpften und übermäßig weichen Klangbild ohne Transparenz (muted), während sich Überhöhungen und andere Fehler gerade in diesem Bereich, wo das menschliche Ohr eine hohe Empfindlichkeit für Unterschiede besitzt, in einem zu hellen, harten, gläsernen, stählernen oder schrillen Klang äußern.

Sehr hübsche Begriffe fand der Autor für den Klang in der Oktave von 5120 bis 10240 Hz, wo man beispielsweise die Obertöne von Percussioninstrumenten, Pikkolo-Flöte und Violine, aber auch Triangel und Schlüsselklirren beachten sollte. Fehlt es hier, ist der Klang langweilig (dull) und muffig (muffled).

Klingt's gut, dann kommen diese Obertöne sauber, ohne jede Lästigkeit oder leichte Verzerrungen. Kommt der Lautsprecher oder der Tonabnehmer hier in Probleme, ist der Klang nicht mehr "crisp", sondern zischelnd wie leicht verzerrte S-Laute (sibilant), hört man Geräusche, die wie ein schwirrender Draht (wiry) klingen oder ist das erste Einschwingen sogar einem scharfen Spuck-Geräusch vergleichbar.

Die schwierigste Bestimmung in Begriffen war die der obersten Oktave bis 20480 Hz. Der extreme Hochtonbereich, der dem Klang seinen strahlenden Glanz vermittelt, kann angenehm weich (soft) und süß (sweet) kommen, sehr luftig (airy), aber auch verwischt (whiskery) oder gar zischig (zippy) klingen.


Ein anderer Autor stellt die Begriffe als Gegensatzpaare gegenüber [1]:

Hell - Dunkel:

Hell timbrierte Lautsprecherboxen sind oft scheinbar baßschwach, dunkel timbrierte oft scheinbar höhenschwach. Neigen dunkel timbrierte Lautsprecherboxen zu einem satten, vollen Klang von mittlerer Durchsichtigkeit, so tendieren helle Lautsprecherboxen zu einem schlanken, präsenten, durchsichtigen und definierten Klangbild.
Bei dunkel timbrierten Lautsprecherboxen kann der Obertonbereich fehlen. Man achte deshalb darauf, ob Triangel, Becken, Orgelmixturen u. ä. sich genügend abheben und nicht im Gesamtklang untergehen. Die Gefahr, daß eingedunkelte Lautsprecherboxen zu wenig Brillanz besitzen, ist groß. Dunkle Lautsprecherboxen klingen nach Bayreuth, helle nach Kirche.
Bei hell timbrierten Lautsprecherboxen können die Mitten oder unteren Mitten etwas fehlen.
Man prüfe deshalb, ob Celli nicht zu sehr aufgehellt werden und mehr wie Bratschen klingen. Posaunen müssen noch soviel Substanz und Körper besitzen, daß sie in hohen Lagen nicht wie Hörner klingen.
Bei hell timbrierten Lautsprecherboxen haben Geigen zu wenig Holz, zu viel Saite. Die menschliche Stimme klingt auf helltimbrierten Lautsprecherboxen etwas spitz, eng und substanzlos, auf dunkelgetönten weich, füllig, zu sonor und bisweilen charakterlos.
Klavierwiedergabe fehlt bei dunklen Lautsprecherboxen die Härte, die Präzision des Anschlags, dagegen wirken die unteren Oktaven etwas zu wuchtig und undifferenziert.
Bei einem guten, ausgeglichenen Instrument sind die Übergänge zwischen den einzelnen Lagen zu deutlich spürbar bei hellen Lautsprecherboxen; bei dunklen sind sie nivelliert.

Vordergründig, präsent - entfernt:

Vordergründige Lautsprecherboxen klingen so, daß man beim Hören mit geschlossenen Augen glaubt, das Orchester befinde sich da, wo die Lautsprecherboxen stehen, schlimmstenfalls in ihnen. Sie neigen bisweilen dazu, ein akustisches Loch in der Mitte zwischen den Lautsprecherboxen zu produzieren.
Jedenfalls kann man bei ihnen oft eindeutig die Lautsprecher als Schallquellen identifizieren. Bei ungünstiger Konstellation sonstiger Eigenschaften neigen sie zu Härte, Drahtigkeit und Aufdringlichkeit. Sind die sonstigen Eigenschaften gut, klingen sie offen und frei. Jedenfalls ziehen sie die auditive Aufmerksamkeit auf sich.
Entfernt klingende Lautsprecherboxen lassen das Schallereignis scheinbar etwas hinter die Lautsprecherboxen zurücktreten. Die Gefahr des Lochs in der Mitte besteht wenig. Die Lautsprecher sind nicht eindeutig als Schallquellen identifizierbar.
Bei weiteren positiven Eigenschaften klingen sie recht räumlich, bei ungünstiger Konstellation etwas verschwommen, unpräzise und in der Klangdefinition den präsenten Lautsprecherboxen unterlegen. Aufdringlich sind sie in den wenigsten Fällen.
Mitunter neigen sie zur Verhangenheit.
Eine ziemlich hohe Verwandtschaft besteht zwischen vordergründigen und hell timbrierten Lautsprecherboxen. Andererseits sind oft entfernt klingende Lautsprecherboxen auch leicht eingedunkelt. Übertragungen von Beifall-Klatschen sind ein guter Prüfstein dafür, ob eine Box vordergründig oder entfernt klingt: Bei präsenten Lautsprecherboxen findet das Klatschen im Hörraum statt; die Akustik des Wohnraumes wird bei hohen Lautstärken regelrecht von der übertragenen überspült.
Bei entfernt klingenden Lautsprecherboxen bleibt der Hörraum als solcher erhalten, das Klatschen findet scheinbar in einem anderen Raum, der hinter den Lautsprecherboxen liegt, statt.
Ist Vordergründigkeit mit zuviel Brillanz verbunden, wird aus dem Beifallklatschen ein Wasserfall.

Schlank - voluminös:

Ob ein Lautsprecher voluminös oder schlank klingt, hängt wesentlich davon ab, wie er den Bereich der Bässe und der unteren Mitten verarbeitet.
Ein schlanker Klang scheint zunächst etwas baßschwach zu sein; bei genauerem Hinhören wird jedoch deutlich, daß er meist impulstreuer, detailreicher und durchhörbarer ist als ein voluminöserer.
Bei voluminös klingenden Lautsprechern hat die Baßwiedergabe oft mehr Quantität als Qualität: Hoher Pegel bei mangelhafter Impulstreue und gleichzeitiger unnatürlicher Verdickung, Umwölkung der unteren Mitten.
Durch die bei einer Überzahl schlechter HiFi-Boxen übliche Bumsigkeit und Dumpfheit der unteren Mitten und Bässe sind wir derart an eine unsaubere Wiedergabe gewohnt, daß es nur wenige qualitätsbewußte Hersteller wagen, (zumal in der unteren und mittleren Preisklasse) Lautsprecher zu bauen, die statt einer starken, aber unpräzisen Wiedergabe des unteren Frequenzbereichs ein schlankes, transparentes, offenes und weithin verfärbungsfreies Klangbild erzeugen. Auch die den elektrostatischen Lautsprechern nachgesagte Baßschwäche beruht oft auf diesem Mißverständnis, auf dieser Verwechslung von Qualität und Quantität.
Welche von zwei Boxen die voluminösere ist - gleiche Verfärbungsfreiheit vorausgesetzt -, kann man mit Blasmusik testen.
Die voluminösere Box differenziert Tuba, Horn, Trompete und Posaune besser als die schlankere, bei der Posaunen ggf. schon etwas nach Hörnern klingen.
Ein Duo von Baß und Cello klingt auf einer guten schlanken Box sauber, gestaffelt; auf einer guten voluminösen zusätzlich noch plastischer; auf einer schlechten voluminösen dagegen undifferenziert, verwaschen und topfig.
Schlanke Boxen eignen sich meist nicht für Räume mit mehr als etwa 70 m² Volumen, weil sie den Raum nicht füllen können.
Das Klangbild gerät in Gefahr, dünn, mickrig zu werden. Voluminösere Lautsprecher haben es leichter, große Räume zu füllen, ohne allerdings für kleinere ungeeignet zu ein.

Flächig - räumlich:

Flächig klingende Boxen erzeugen ein Klangband, das von Lautsprecher zu Lautsprecher reicht. Räumlich klingende erzeugen einen Klangraum, der sich zwischen den Boxen und um sie herum abbildet.
Räumlichkeit darf nicht mit unnatürlicher Halligkeit, hervorgerufen durch eine Anhebung im Frequenzbereich um 200 Hz, verwechselt werden, die man bei genauem Hinhören oft als Mulmigkeit oder Bumsigkeit identifizieren kann.
Schlankheit und Flächigkeit einerseits sowie voluminöses und räumliches Klangbild andererseits sind oft nahe verwandt.
Bei räumlich klingenden Boxen wird die Tiefenstaffelung eines Orchesters (bei sehr guten Aufnahmen) erkennbar. Bei flächigen dagegen stehen die dominierenden Instrumente immer vorn, an der Rampe.
Die Eigenschaft flächig ist oft vereint mit der negativen Eigenschaft flach. Ein flaches Klangbild wird oft als technisch, als unmusikalisch empfunden. Es fehlt ihm der musikalische Atem.
Wenn es auch oft auf Anhieb eine hervorragende Klangdefinition vortäuscht, so erkennt man doch bei genauerem Hinhören sowie in Langzeittests, daß sich die exakte Klangdefinition auf einige wenige Instrumente oder Instrumentengruppen beschränkt. Andere Instrumente werden im Tutti nicht identifiziert. Beispielsweise gehen die Bratschen im Gesamtklang des Orchesters unter.
Auch mit Choraufnahmen sind Flachheit und Flächigkeit gut zu testen: Man achte darauf, daß alle Stimmen, vor allem auch Mezzosoprane und geteilte Tenöre, exakt zu hören sind.

Offen - verhangen:

Klingt eine Box offen, frei, so spielt das Orchester quasi im Hörraum. Die Musiker scheinen vor den Lautsprechern zu sitzen.
Bei verdeckt klingenden Boxen scheint ein Vorhang vor dem sonst vielleicht gut durchgezeichneten Schallereignis zu stehen.
Die Verwandtschaft offen, hell und vordergründig ist ebenso stark wie die zwischen verdeckt und entfernt.
Schaltet man von einer verhangenen auf eine offene Box, so entsteht der Eindruck: "Jetzt gehen das Licht an und der Vorhang auf!" oder "Jetzt wird frische Luft in den Raum geblasen".
Offene Boxen dürfen aber nicht mit überbrillanten, überpräsenten Bluffern verwechselt werden. Es gibt überdies nur wenig offene Boxen, die in den Mittellagen verfärbungsfrei sind! Ein offenes, aber lagenspezifisch oder instrumentenspezifisch verfärbtes Klangbild wird oft von Hornlautsprechern produziert.

Neutral - verfärbt:

Verfärbungsfreie Boxen findet man selten. Und sind sie dann noch frei und voluminös, dann hat man es mit den besten Lautsprechern des Weltmarkts zu tun.
Die Neutralität ist mit normalen Musikprogrammen nicht objektiv festzustellen, denn Verfärbungen können in Hülle und Fülle auf dem Weg vom Geber (Mikrofon, Tonabnehmersystem) über die Elektronik (Verstärker, Sender, Empfänger-Verstärker) auftreten; Neutralität ist nur vergleichsweise zu erfassen: Die Box (X) klingt neutraler als die Boxen (Y) und (Z).
Eigentlich kann man Neutralität nur negativ definieren: Eine Box ist neutraler als eine andere, wenn sie weniger Verfärbungen (als die andere) hat, in einer gegebenen Anlage und bei gegebenem Programm.
Jeder Lautsprecher verfärbt mehr oder weniger, wenn auch in je unterschiedlichen Bereichen. So gibt es Boxen, die bevorzugt Blechbläser verfärben, während andere dazu neigen, Streicher in hohen Lagen zu verfärben. Es ist letztlich eine subjektive Entscheidung, welche Verfärbung als penetranter empfunden wird.
Erfahrungsgemäß scheinen sehr hell timbrierte und überbrillante Boxen neutraler zu klingen als weniger präsente und brillante, weil das Klangbild analytisch, offen und frei zu sein scheint.
Doch wirken diese Boxen - wie man in Langzeittests feststellen kann - auf Dauer aggressiv, hart, lästig.
Bei solchen Boxen kann man beispielsweise kaum noch heraushören, daß sich der Klangcharakter einer Oboe ändert, wenn auf einem langen Ton ein crescendo liegt.

Ausgewogen - unausgewogen:

Ausgewogene Boxen klingen weder dunkel, noch hell. Sie sind nicht eindeutig präsent und nicht eindeutig entfernt. Sie machen nichts daher, sind deshalb sehr gut - und sehr selten.
In einem Feld von Lautsprechern, die in die Ohren springende, auffällig gute Eigenschaften haben - was immer man subjektiv als gut empfindet -, haben es ausgewogene Boxen mitunter schwer, sich durchzusetzen.
Man sollte deshalb solch unscheinbaren Lautsprechern besondere Aufmerksamkeit widmen und sie ggf. in den Langzeittest einbeziehen. Dagegen sind Boxen, die auf Anhieb durch besondere Vorzüge auffallen, nur in seltenen Fällen auch ausgewogen.

Transparent, durchsichtig - verschwommen:

Durchsichtig ist eine Box, wenn sie das Schallereignis präzis abbildet: Bei guten Aufnahmen muß es möglich sein, die einzelnen Solisten, Soloinstrumente, Stimmen eines Chors und Instrumentengruppen eindeutig voneinander zu unterscheiden.
Undurchsichtige Boxen können zwar ein voluminöses und angenehmes Klangbild erzeugen, geben dem Hörer aber nicht die Möglichkeit, sich auf bestimmte Instrumente zu konzentrieren.
Sie produzieren einen Klangbrei. Offene, präsente und schlanke Boxen tendieren eher zur Durchsichtigkeit als verdeckt und voluminös klingende.
Besser gesagt: Sie haben es in puncto Durchsichtigkeit leichter.
Manche Boxen können erst ab einer relativ hohen Lautstärke durchsichtig klingen, andere sind bei geringen Lautstärken offener.
Erfahrungsgemäß benötigen Kompaktboxen eine höhere Lautstärke, damit sie sich freistrahlen.
Sie neigen bei geringer Lautstärke zu einem etwas näselnden oder gepreßten und verhangenen Klangbild, dem Durchsichtigkeit abgeht.
(In diesem Zusammenhang muß aber auch bedacht werden, daß die meisten Verstärker bei geringen Lautstärken gepreßt, eng und undurchsichtig klingen!).
Dagegen besteht bei Boxen mit sehr hohem Wirkungsgrad (Baßreflexboxen, Boxen mit Hornlautsprechern) die Gefahr, daß sie zwar durchsichtig klingen, aber etwas verfärben, und zwar bei allen Lautstärken.
Durchsichtigkeit läßt sich selbstverständlich mit großorchestralen Werken testen. Man muß allerdings sicher sein, daß die Aufnahme ein Höchstmaß an Transparenz und Sauberkeit besitzt.
Bei analytischen Boxen bleibt die Identifizierbarkeit der einzelnen Klanggruppen auch erhalten bei plötzlichen großen Dynamiksprüngen, also bei einem subito ff-Einsatz.
Setzen wir einmal einen Verstärker voraus, der diesen Sprung mühelos überträgt: Dann kann es passieren, daß sich eine wenig durchsichtige Box verschluckt: Für einen kurzen Augenblick verschwindet die Durchsichtigkeit, bestimmte Instrumentengruppen werden verdeckt, verschluckt von der großen Trommel oder dem Becken.
Das sollte man durch die öftere Wiederholung ein und derselben Passage untersuchen.
Die Qualität Durchsichtigkeit läßt sich auch mit weniger komplexen Signalen untersuchen: Bei einem Duo Baß-Cello müssen die beiden Instrumente klar getrennt nebeneinanderstehen, sie müssen sich, ohne klanglich auseinanderzufallen, eindeutig voneinander abheben.
Die Instrumentierung der Einleitung von Also sprach Zarathustra muß eindeutig erkennbar werden. Bei einem Blockflötenduo - zwei Sopranflöten - müssen sich die Klangfarben der beiden Flöten voneinander abheben.
Überbrillante Boxen versagen bei diesem Test.
Auch Sopran-Duette müssen in diesem Sinne - vor allem in den höchsten Lagen - durchsichtig bleiben.
Eine durchsichtige Box zeichnet sich in den meisten Fällen durch eine feine Klangdefinition aus. Man teste mit Soloinstrumenten, die man sehr genau kennt! Haben Trompeten nicht einen zu engen, spitzen Klang? Klingt die Sologeige raumfüllend, weich, gestrichen, mit viel Körper, Glanz und Holz? Zischt das Becken oder klingt es?
Knödelt der Heldentenor oder strahlt seine Stimme (so er eine hat)?
Hat die Pauke einen Klang, der sich nach Tonhöhe, Stärke des Anschlags und verwendetem Schlegel deutlich ändert, oder klingt sie das eine wie das andere Mal? Ist der Flügel tatsächlich ein Flügel? Meist klingen Flügel breiig, sie schwimmen.
Auch kleine Besetzungen, Streichquartette und Einspielungen von alten Instrumenten eignen sich zur Untersuchung der Durchsichtigkeit. Die Instrumente eines Streichquartetts müssen exakt auseinan- dergehalten werden können, ohne daß das Klanggeschehen als Ganzes auseinanderfällt. Wird die 1. Geige nicht durch die Pizzicati im Baß verschluckt? Durchsichtigkeit und Neutralität gehen nicht oft Hand in Hand.

Weich - rauh, hart:

Bei rauh zeichnenden Boxen klingen hohe Streicher etwas aggressiv und drahtig. Statt Glanz haben sie viel Stahl, eben Härte. Die menschliche Stimme ist gepreßt. Barock-Trompeten sind eine Nuance zu groß, zu spitz, Mixturen von Barock-Orgeln klingen wie die neuerer Orgeln, die mit hohem Winddruck betrieben werden.
Auf die Dauer wirken rauh zeichnende Boxen lästig. Man identifiziert sie oft zu spät, weil sie zu den Bluffern gehören. Weichzeichner machen nichts daher und werden beim oberflächlichen Testen überhört. Oft wird überbrillant mit weich verwechselt!
Allerdings darf man dunkel, verhangen und entfernt abbildende Lautsprecher nicht mit weichzeichnenden identifizieren, obwohl hier eine gewisse Verwandschaft vorliegen kann.
Weiche Boxen kann man auch identifizieren, indem man bei voll aufgedrehtem Höheneinsteller hört. Dann klingen sie ungewöhnlich hell, zischen aber nicht.

Angenehm, natürlich - lästig:

Bisweilen tauchen in der Literatur die Kriterien angenehm und natürlich auf.
Möglicherweise ist in einem Test eine Box als sehr natürlich, doch wenig angenehm ausgewiesen. Ein solches Ergebnis kann die Verwirrung beim Leser sehr groß werden lassen. Viele Musikfreunde unterscheiden nicht zwischen angenehm und natürlich; denn eine Box, die ein Klanggeschehen mit höchstmöglicher Naturtreue nachzuzeichnen vermag, könne, so sagen sie, nicht unangenehm klingen.
In einer künstlichen Hörsituation, wie sie Tests darstellen, können sich ggf. Boxen profilieren, die scheinbar natürlich klingen.
Im Langzeittest wird sich jedoch diejenige Box positiv abheben, die man stundenlang hören kann, ohne daß sie lästig wird, ohne daß sie ermüdet.
Als die natürlicher klingende ist sie - auf die Dauer des Hörgenusses - die angenehmere.
Das hat nichts mit Schönfärberei im Sinne von Baß- und/oder Höhenanhebung bzw. -absenkung oder mit freundlichen Verfärbungen zu tun!
Natürlich klingende Boxen zeichnen sich dadurch aus, daß man sie lange Zeit mit hoher Lautstärke hören kann, ohne nervös zu werden oder aus Gründen einer hörpsychologischen Streßsituation den letzten Ton des musikalischen Werks herbeizusehnen.
Am Beispiel des Begriffpaars angenehm - lästig wird die Subjektivität von Lautsprecherbeurteilungen beispielhaft deutlich, und sicherlich werden viele Leser der hier dargelegten Auffassung nicht folgen.
Wie dem auch sei: Übereinstimmung herrscht wohl hinsichtlich der Forderung, ein Lautsprecher (bzw. Musikwiedergabe) dürfe nicht lästig sein.
Wann eine Box als lästig empfunden wird, das allerdings ist subjektiv unterschiedlich; es hängt von den klanglichen Zielvorstellungen sowie den auditiven Gewohnheiten und musikalischen Vorlieben des Hörers ebenso ab wie von seinen Erwartungen an das Medium HiFi-Stereophonie.


Literaturnachweis:

[1] Heinz Josef Nisius: Hifi Hören, 1979, Vogel-Verlag ISBN 3-8023-0611-2
[2] H. Williges: Lautsprecher-Taschenbuch, 1969, Isophon-Werke GmbH
[3] Franz Schöler: High Fidelity Technik für Aufsteiger, 1981, Rowohlt ISBN 3-499-17417-0