(Dieser Artikel entstand aus einem Posting im Open-End-Forum.)

Hauptfunktion ist die Versorgung des Netzteils mit 230 V / 50 Hz und ausreichender Stromstärke.
Für letztere ist ein ausreichender Querschnitt der stromführenden Leiter notwendig; 3 x 2.5 mm² ist hier die in hochwertigen Installationen gebräuchlichste Ausführung. Mehr wäre besser, aber dann würde die Flexibilität des Netzkabels für den normalen Anwendungsbereich nicht ausreichen.

Ein möglichst großer Querschnitt des Netzkables ist nämlich auch anderweitig sinnvoll.

Um Potentialdifferenzen zwischen den Geräten zu minimieren oder gar zu unterbinden, ist es sehr sinnvoll, alle Geräte möglichst niederohmig in der Steckdosenleiste netzseitig miteinander zu verbinden (Stichwort: Einpunkt-Speisung. Das ist zwar kein technischer Ausdruck, aber jeder weiß, was gemeint ist).
Der Einsatz von extrem niederohmigen Netzkabeln ist dann besonders effektiv, wenn alle Geräte in einer besonders niederohmigen Steckdosenleiste wie z.B. der TMR STL 7as verbunden sind. Dabei spielt natürlich die Stärke der Netzzuleitung von der Hauptverteilung zur Steckdosenleiste in diesem Fall nur eine untergeordnete Rolle.
Wichtig sind tatsächlich die letzten Meter vor den Verbrauchern, um mal einer oft gehörten Entgegnung zu antworten, zumal bei Betrachtung des nächsten Punktes.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist nämlich die Einschränkung der Bandbreite des Netzkabels durch entsprechende LC-Werte oder sonstige Maßnahmen zur Erzielung hochfrequenter Verluste.
Alles, was die Netzfrequenz von 50Hz frequenzmäßig übersteigt, ist als unerwünschte Störung anzusehen.
TMR benutzt beispielsweise die Ummagnetisierungsverluste einer Ferritummantelung der einzelnen Adern für eine Absorptionswirkung bei hohen Frequenzen.

Ein im "audiophilen" Sinne wirksames Netzkabel hat auf jeden Fall eine Filterwirkung, denn was wir eigentlich hören, ist nicht "Netzkabelklang", sondern die An- oder Abwesenheit von Netzstörungen.
Netzfrequenz und -spannung haben keinen direkten Bezug zum Audiosignal und werden auch nicht durch übliche und zulässige Netzkabel verändert.
Allenfalls ein merklich höherer Innenwiderstand (wodurch auch immer) der Netzstromversorgung könnte einen Einfluß auf das dynamische Verhalten der Audiokomponenten haben.

Der letzte Punkte wäre die Abschirmung, um eine Neueinstrahlung von hochfrequenten Störungen oder eine Abstrahlung von elektrischen Feldern und damit eine Beeinflussung von in der Nähe liegenden Audio-Kabelverbindungen zu verhindern.
Eine Abschirmung des Netzkabels kann nur positive Auswirkungen auf das Klanggeschehen haben.

Vielen kommt dieser Aufwand etwas übertrieben vor. Allerdings sind sehr viele klangliche Effekte beim Aufbau einer Heimanlage einfach noch zu wenig geklärt. Vieles wird jedoch (auch und gerade von Kritikern) einer möglichen Störeinstrahlung auf Leitungen oder Geräte zugeschrieben (dazu aber auch später mehr).

Eines der (oft belächelten) Merkmale von "HighEnd" ist die "Überdimensionierung", die eigentlich allein darauf abzielt, möglichen, bislang noch wenig erforschten, aber theoretisch denkbaren Einflüssen von vornherein aus dem Weg zu gehen.

Wie kommen Netzstörungen in die Geräte?

Beschränken wir uns hier nur einmal auf die hochfrequenten Störungen. Gleichspannung (DC) und Netzfrequenzoberwellen (Netzklirr) spielen im Normalfall eine eher untergeordnete Rolle.
Die zur Störungsbeseitigung erforderlichen Netzfilter sind eigentlich von ihrer Funktion her frequenzabhängige Impedanzwandler. Ihre Wirkung besteht in einer durch gezielte Impedanzfehlanpassung hervorgerufene Reflektion der hochfrequenten Störungen. Das funktioniert auch wunderbar, solange Störungsquelle und -senke eine konstant frequenzunabhägige und daher leicht berechenbare rein ohmsche Impedanz aufweisen. Tun sie aber nicht.

Das Stromnetz als Störungsquelle weist eine komplexe Impedanz auf (siehe auch hier), dessen Werte beispielsweise zwischen 0,3 Ohm (50Hz) und 300 Ohm (10 MHz) schwanken.
Ein typischer Hifiverstärker als Störungssenke weist ebenfalls, vom Netz her betrachtet, eine komplexe Impedanz auf. Einerseits bedingt durch die Induktivität des Netztrafos, andererseits durch die bei Leistungsverstärkern vom Programmmaterial abhängige Stromentnahme (r=u/i).

Es ist daher kein Wunder, daß typische Netzfilter mit ihren festen passiven Bauteilwerten kein Allheilmittel darstellen können. Wenn weder Netz- und Lastimpedanz, noch Art der Störung bekannt sind, so können mit gleichem Filter an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.
Man betrachte nur das Produktsortiment von Corcom oder Schaffner um zu erkennen, daß eigentlich jede spezielle Situation ein spezielles Filter verlangt.

Zudem ist der Einbau in die Geräte (speziell Verstärker) nicht ganz unproblematisch.
Zum einen wäre die Auslegung des Filters nur auf "Verdacht" bzw. statistisch ermittelte Durchschnittwerte der Arbeitsumgebung des Filters möglich, zum anderen stellt eine hochwertige Ausführung einen nicht unbeträchtlichen Kostenfaktor dar, vom Platzbedarf einmal abgesehen.
Auch andere, hier aber nicht weiter zu erläuternde Gründe (z.B. Dynamikbegrenzung) sprechen gegen den direkten Einbau von klassischen Netzfiltern in Verstärker.
Bei Geräten mit verhältnismäßig konstantem niedrigem Stromverbrauch und bekannten Eigenstörspektren wie z.B. bei CD-Playern sieht das anders aus, obwohl diese aufgrund ihre Größe und Auslegung meistens nur EMV-Alibifunktion haben. Richtige, d. h. in weitem Bereich wirksame Netzfilter sehen anders aus, erfordern deutliche höhere Induktivitäten und mehrstufige Schaltungen (z.B. sogenannte Doppel-Pi-Glieder).

Wir haben gesehen, daß die Netzimpedanz aufgrund ihres induktiven Anteils bei hohen Frequenzen hochohmig ist. Leider ist die Lastimpedanz aufgrund der Netztrafoinduktivität bei hohen Frequenzen ebenfalls hochohmig und daher gut an die hohe Netzimpedanz angepaßt, so daß hochfrequente Störungen aufgrund der fehlenden Störungsreflektion (z.B. durch Impedanzfehlanpassung mittels Netzfilter) problemlos ins Gerät gelangen können.
An der ersten auftretenden Gleichrichterstrecke (in der Regel der Netzgleichrichter) werden die hochfrequenten Störungen gleichgerichtet und demoduliert, so daß nur noch die (jetzt niederfrequenten) Amplitudenschwankungen der Störung in Form der Hüllkurve auf der Stromversorgung zu finden sind.
Als nächste Station des Störungsweges findet man die Netzteil-Elkos. Dummerweise sind diese für das Nutz- und auch das nun niederfrequente Störungssignal in Reihe geschaltet und stellen mehr oder weniger nur einen Bandpass dar. Die Kapazität bestimmt die untere Grenzfrequenz, die meist unvermeidlichen induktiven Anteile die obere Grenzfrequenz. Daher spendiert man den Netzteilelkos gerne einen verlustarmen Bypass-Folienkondensator, was natürlich erwartungsgemäß die Durchlässigkeit von hohen Frequenzen erleichert.
Jetzt hat man nur noch die Möglichkeit, das komplette Netzteil aufwändigst zu stabilisieren, um die Fremdspannung etwas herabzusetzen. Das ist beim Endverstärker mit sehr hohem Aufwand verbunden, praktisch muß pro Kanal der Bauteilaufwand verdoppelt werden. Allerdings ist eine Störungsbeseitigung auch hier nicht möglich, da der Regler nicht mehr zwischen Nutz- und Störsignal unterscheiden, sondern nur stromentnahmebedingte Spannungszusammenbrüche nachregeln kann.

Es gibt also zur primärseitigen Netzfilterung keine echte Alternative.

Wie wirken sich Netzstörungen klanglich aus?

Das hängt natürlich von der Art der Netzstörung ab.
Nach meiner Erfahrung zeichnet sich eine netzgestörte Musikwiedergabe durch eine gewisse Rauhigkeit, Unruhe und Nervosität im Klangbild, sowie eine nach einiger Zeit auftretende Lästigkeit aus. Der Hintergrund der Musikwiedergabe ist nicht schwarz, sondern grau (anders kann ich das nicht ausdrücken). Sicher gibt es noch andere Merkmale (Räumlichkeit, Plastizität, usw.), hängen aber von der Gesamtsituation ab.

Bei der erforderlichen Netzentstörung sollte man auch den Kompensationseffekt nicht unterschätzen.
Netzstörungen wirken sich u.a. in einer Veränderung des Hochtonbereichs in Richtung hart und lästig aus.
Eine gut abgestimmte Kette, bei der diese Eigenschaft zuvor durch Wahl geeigneter Komponenten auskompensiert wurde, wird bei Wegfall der Netzstörungen (z.B. durch Einsatz von Absorptionskabel TMR NK2 oder Netzfilter) in dieser Hinsicht "überkompensiert" klingen, d.h. die Wiedergabe wird hochtonschwächer, ruhiger, vielleicht deswegen langweiliger und anscheinend weniger impulstreu und "undynamischer". Auch das subjektive "Timing" wird sich verändern. Diese beobachteten Klangveränderungen werden nun gelegentlich fälschlichweise primär dem Einsatz der Netzentstörungsmaßnahmen zugeschrieben, sind aber nur Ausdruck einer Überkompensation.

Zusätzlich wäre hierzu noch zu bemerken, daß aus der Psychoakustik bekannt ist, daß sich z.B. ein erhöhter Klirranteil im Audiosignal u.a. als subjektive Lautstärkeerhöhung und erhöhte Durchsichtigkeit auswirkt. Dieser Effekt wird leider heute oft im Studiobereich durch Einsatz entsprechender Geräte (Aural Exciter) ausgenutzt.
Aber auch in der täglichen Praxis kennt man diesen Effekt. Ein kleines Küchenradio, obwohl mit minimalem Lautsprecher und Verstärker versehen, kann aufgrund seiner Verzerrungen einen ohrenbetäubenden Lärm machen (der effektive Schalldruck beträgt höchsten 90dB), während eine "große" Anlage locker die doppelte Lautstärke erzeugen kann, ohne daß sich ein Gefühl übertriebener Lautstärke einstellt.

Daher hört sich für den ungeübten Hörer eine netzentstörte Anlage im ersten Moment manchmal zu "ruhig" an.

Hatte man zuvor den Hochtonbereich durch Auswahl entsprechender Komponenten zur Milderung der Netzstörungen etwas gedämpft, so können nach Beseitigung der Netzstörungen höher auflösende Komponenten gewählt werden.

Entsprechendes konnte man übrigens auch nach Einführung der CD beobachten. Da die ersten Player und auch die Aufnahmen mehr oder weniger "nervig" klangen, wurden viele Verstärker, Lautsprecher (und auch Kabel) verwendet, die verhältnismäßig dunkel abgestimmt waren.
Das war auch bitter nötig.
Nach heutigem Maßstäben klingt das mittlerweile aber alles ziemlich behäbig (ich will jetzt bewußt keine Namen nennen), bzw. die entsprechenden Gerätschaften wurden, wenn möglich, zwischenzeitlich in Richtung "Auflösung" und "Schnelligkeit" geupdatet.
Es hängt also alles vom Zusammenspiel der Kette ab.

Es lohnt sich also, zunächst bei der Stromversorgung bzw. Netzentstörung zu beginnen und danach seine Kette zusammenzustellen, um eventuellen Kompensationeffekten vorzubeugen.
Schließlich findet die Auswahl der Komponenten nicht nach objektiven Gesichtspunkten statt, sondern eher nach dem K.O.-Prinzip: Wer in die Kette hineinpaßt und sich gemäß dem Geschmack des Hörers einfügt, bleibt drin - wer nicht, muß draußen bleiben.


Literaturhinweis:

1. EMV-gerechtes Gerätedesign - Grundlagen der Gestaltung störungsarmer Elektronik. Georg Durcansky. 1008 Seiten. Franzis-Verlag 1999, ISBN 3-7723-5388-6

2. http://www.cor.com/PDF/technotes.pdf